Der Künstler neben mir - Teil 2


Joe Lovano oder „Rest in peace“

 

Über den nicht nur körperlich präsenten weißen Amisaxer mit dem „Jürgen von der Lippe Bart“ und den klasse Strohhüten kann ich leider nicht allzu viel sagen, außer, dass der Gute offenkundig ein sehr trocknes Wesen hat.

 

Die Präsenz im Raum vermittelt Dir:

Halt' Dich zurück und widerspreche nicht! ;)

 

Auf der Fahrt vom Flughafen HH bis nach Kiel ins Hotel „Kieler Kaufmann“ passiert meinem Fahrerkollegen - er fährt die Limo - etwas, was später mit einiger Coolness von Lovano quittiert wird: 

„If your wiper works...!“

 

Ich bin froh, dass ich dieses Mal nur den Equipmentvan der Band von Joe gefahren bin.

Der Spruch macht bei uns im Fahrercamp auf jeden Fall flott die Runde. Die sonst so schicke Limo kommt in die Wartung.

 

Eine weitere Äußerung ihrer Trockenheit am Tenorsax ereignet sich im Van vom Hotel zum Gig als ich an der verdammt knappen Abbiegung in die Seitenstraße - mehr ein Weg - zum Schloß etwas zügiger in die Biege gehe.

Joe Lovano trohnt ganz hinten allein auf der letzten Bank, mit leicht getönter Sonnenbrille, Strohhut und verschränkten Armen über seinem mächtigen Leib und murmelt lakonisch: „Rest in peace.“

Ich bin so verunsichert, daß ich lieber so tue, als hätte ich nichts gehört.

 

Joe Lovano tritt auf dem Festival zusammen mit George Mraz, Hank Jones und Lewis Nash auf und liefert einen abgecheckten Set.

 

Anbei statt weiterer Worte ein Link vom Lineup der Combo aus 2005. Genau die Brille hat er auch im Van getragen. Ihr seht dort auch Hank Jones am Piano. Über den habe ich ein bißchen mehr zu erzählen demnächst.


Der kleine Finger von Palle Danielsson

 

Ich begegne Palle so zwischen Tür und Angel im Festivalbüro, in welchem wir Fahrer uns immer rumdrücken, um möglichst viele Fahrten und somit Stunden ziehen zu können.

Palle steht gerade vor unserer Fahrdisponentin, als sie mich fragt, ob ich gerade frei wäre und ihn (sie deutet auf Palle) fahren könne.

 

„Klar! Möchst nach hause, was?“, frage ich ihn auf deutsch, ahnungslos, wer da vor mir steht. Ich muss zu meiner Verteidigung sagen, dass wir alle unheimlich viel unterwegs waren, viel zu tun hatten und bei all der Eile nicht immer gleich blickten, wer da eigentlich wer ist. Hinzu kommt die Tatsache, dass Palle an diesem frühen Abend, er hatte eben einen Gig zu Ende gespielt, echt aussieht wie einer von uns. Kein Anzug oder irgendwas.

 

„Ja, ich muß bischn duschen un' so“, ist Palles Antwort in gebrochenem deutsch und spätestens jetzt geht mir ein Licht auf.

 

Später im Auto erlebe ich Palle Danielsson als einen äußerlich vielleicht etwas gleichgültigen, aber innerlich klaren und aufgeräumten Typen. Wir sprechen ein wenig über Jazz und seine Rolle in der heutigen Zeit und es stellt sich heraus, dass wir ähnlich über die deutsche Szene im besonderen und das oft affektierte Gewese um die Jazzszene an sich denken.

 

Dieser Mann mit seinem faltendurchfurchten Gesicht und kräuseligem Vollbart mag Häfen und ihre Städte. Er liebt das Meer und könnte wegen seines Aussehens auch durchaus als Seemann durchgehen. Das macht ihn mir sympathisch.

Dem Kieler Hafen sei dank, denn er war es, der uns auf dieses Thema brachte.

Ich erzähle ein bischen von meiner Heimatstadt und er von seiner.

 

In wohl keinem Augenblick unserer Fahrt und unseres Gesprächs blieb der kleine Finger der linken Hand Palles auch nur weiter als einen Zentimeter von seinem Mund entfernt. Ich dachte erst, dass er ihn sich beim Spielen verletzt hat, habe aber im Nachhinein gut daran getan, ihn nicht darauf anzusprechen, weil sich das Rumspielen mit dem Finger an seiner oberen Zahnreihe, als bloßer Tick herausstellte. Ihm schien dieses immer gleiche Muster eine Art Anker und Wegdenken zugleich zu bedeuten.

Jeder, der ähnliche Verhaltensweisen sein eigen nennt, wird wissen, wie viel inneres Zuhause sie spenden können.

 

Palle bleibt mir als sympathischer Kerl im Gedächtnis.


In der Reihe "Der Künstler neben mir" geht es demnächst weiter mit

Trilok Gurtu und Brian Blade.

 

Nächste Woche gönne ich uns allerdings eine kleine Salzaupause

und wir gehen in die Luft!

 

Bis Dahin bleibt zuversichtlich und gut im Groove, wenn es wieder heißt:

 

"Immer wieder Sonntags..."

 

Euer Kai


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